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Eine Geske-Johnson-Näherungsformel zur Bewertung von Flexible-Forwards

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Flexible-Forwards erfreuen sich zunehmender Beliebtheit unter den FX-Derivaten, da sie dem Besitzer – wie der Name bereits vermuten lässt – die Flexibilität geben, Cash-Flows in einer Fremdwährung zu einem beliebigen Zeitpunkt aber zu einem festen Kurs zu wechseln. In diesem Blogpost erläutern wir, wie solche Produkte am Markt üblicherweise näherungsweise bewertet werden und wie man diese Formel mit geringem Mehraufwand verbessern kann.

Was ist ein Flexible-Forward?

Flexible-Forwards sind unter verschiedenen Namen bekannt: Flexible-Forward, Open-Forward, American-Forward, FX-Time-Option... Kurz gesagt ist ein Flexible-Forward ein Forward mit einem Partial-Early-Exercise-Feature. Das heisst, der Besitzer darf zu beliebigen Zeitpunkten und in beliebig grossen Tranchen Fremdwährung zu einem fixen Wechselkurs tauschen. Die Summe über alle Tranchen muss bei Ablauf des Vertrags dem zuvor festgelegten Nominal entsprechen.

Beispiel: Firma F schliesst mit Bank B am 1. September 2025 einen Flexible-Forward mit einer Laufzeit von sechs Monaten (Enddatum: 1. März 2026) über ein Nominal von 1 Mio. EUR zu einem fixen Wechselkurs von 0.93 EUR/CHF ab. Am 1. Dezember 2026 tauscht Firma F die ersten 500’000 EUR gegen 465‘000 CHF. Am Ende der Laufzeit (1. März 2025) tauscht sie dann die zweiten 500‘000 EUR gegen 465‘000 CHF, sodass über die gesamte Laufzeit insgesamt 1 Mio. EUR in CHF getauscht wurden.

Eine Daumenregel

Zur akkuraten Bewertung eines Flexible-Forwards müsste aufgrund der zusätzlichen Optionalität eigentlich ein numerisches Verfahren verwendet werden (FDM, Tree-Methods, Least-Squares-Monte-Carlo, …). In der Praxis wird jedoch meistens die folgende Daumenregel verwendet. Man nimmt an, dass der Kunde das gesamte Nominal entweder jetzt oder zu Laufzeitende umtauscht. Der Kunde hat also heute die Wahl, ob er eine Spottransaktion zum fixierten Wechselkurs (sog. Strike-Rate ) ausführt oder stattdessen einen Standard-FX-Forward erhält. Unter der Annahme, dass der Kunde sich rational verhält und die Möglichkeit mit dem höchsten Wert wählt, ergibt sich daraus die folgende Daumenregel für den Preis des Flexible-Forwards:

Two-Step-Formula

Wir bezeichnen hier mit Vfwd den Preis eines Standard-FX-Forwards, mit S den aktuellen Spot-Kurs, mit K den fixen Wechselkurs und mit T die Laufzeit des Vertrags.

In der Praxis liefert diese Näherungsformel gute Ergebnisse, sofern die Differenz zwischen dem risikofreien Zinssatz der Foreign-Currency rate_f (Foreign-Rate) und dem risikofreien Zinssatz der Domestic-Currency rate_d (Domestic-Rate) nicht zu klein ist. In Abbildung 1 betrachten wir ein solches Szenario, in dem sowohl die Domestic-Rate als auch die Foreign-Rate 4% betragen. Es werden die Preise des Flexible-Forwards gezeigt, einmal via einer numerischen Finite-Difference-Methode (FDM) und einmal via der Daumenregel (Proxy) berechnet; in Abbildung 2 plotten wir die Preisdifferenz in Basispunkten.

Abbildung 1: Flexible-Forward Preis (FDM) vs. Daumenregel (Proxy); Strike-Rate = 1.00, Domestic-Rate = 4%, Foreign-Rate = 4%, Volatilität = 20%, Laufzeit = 1 Jahr.

Abbildung 2: Preisdifferenz FDM – Proxy; Strike-Rate = 1.00, Domestic-Rate = 4%, Foreign-Rate = 4%, Volatilität = 20%, Laufzeit = 1 Jahr.

Der maximale Fehler der Daumenregel beträgt hier mehr als 16 Basispunkte und wird bei einem Spot-Level von 1.00 angenommen, für welches die Strike-Rate K gerade der Forward-Rate entspricht. Ein Fehler in dieser Grössenordnung ist signifikant und kann im Allgemeinen nicht ignoriert werden.

Dieses Verhalten relativiert sich, wenn man betrachtet, wie sensitiv dieser Fehler in Bezug auf die Zinsdifferenz ist. In Abbildung 3 fixieren wir das Spot-Level bei S=1.00, sowie die Domestic-Rate rate_d=4% und variieren die Zinsdifferenz rate_f-rate_d. Wir betrachten hierbei immer einen fixen Wechselkurs, welcher der Forward-Rate entspricht:

K=Fwd(S)

In der Tat reduziert sich der Fehler auf weniger als vier Basispunkte, sobald die absolute Zinsdifferenz |rate_f-rate_d| mehr als 50 Basispunkte beträgt. Dennoch stellt sich die Frage, ob sich nicht eine bessere Näherungsformel finden lässt, welche auch in diesen Fällen zuverlässige Ergebnisse liefert.

Abbildung 3: Preisdifferenz FDM – Proxy; Spot=1.00, Domestic-Rate = 4%, Volatilität = 20%, Laufzeit = 1 Jahr, Strike-Rate K = Forward-Rate.

Die Geske-Johnson-Formel

In ihrem Artikel[1] von 1984 kombinieren Geske und Johnson Näherungen via Bermudan-Optionen und Richardson-Extrapolation, um eine Näherungsformel für American-Puts herzuleiten. In Anlehnung an ihre Vorgehensweise schlagen wir eine modifizierte Näherungsformel vor, welche wir aus diesem Grund die Geske-Johnson-Formel[2] nennen:

GJ Full

Die Formel hängt von zwei zu wählenden Parametern lambda_geq_0 ab. Darüber hinaus verwenden wir hier die folgende Notation:

  • S: Spot-Level
  • K: Strike-Rate (fixer Wechselkurs)
  • Vfwd: Preis des Standard-FX-Forward mit Strike-Rate K und Laufzeit T
  • T_times_theta: Zwischenzeitpunkt (theta_in_01)
  • DFf_theta: Foreign-Discount-Factor vom Laufzeitende t zum Zwischenzeitpunkt t_theta
  • DFd_theta: Domestic-Discount-Factor vom Laufzeitende t zum Zwischenzeitpunkt t_theta
  • Mod_Strike: Modifizierte Strike-Rate
  • Call_theta: Preis einer European-Call-Option mit Laufzeit T_theta und Strike-Rate K_theta
  • lambda: Schrittweite der Richardson-Extrapolation (lambda_geq_0)

Vergleicht man die Geske-Johnson-Formel mit der Daumenregel, fällt auf, dass lediglich der Korrekturterm hinzugefügt wurde

GJ Correction

Herleitung: Zur Approximation einer American-Option berechnen Geske und Johnson die Preise V_n von Bermudan-Optionen, welche an n gleichverteilten Punkten bis zum Laufzeitende ausgeübt werden können. Für grosse n konvergieren diese Preise gegen den Preis der American-Option. Sie verwenden dann Richardson-Extrapolation, um die Konvergenzordnung dieses Verfahrens zu erhöhen.

Wendet man Richardson-Extrapolation für die ersten beiden Folgenglieder V_1, V_2 an, so erhält man die Formel

Richardson1

Um eine bessere Approximation zu erhalten, passen wir diese Formel an und verwenden stattdessen

Richardson2

wobei wir die beiden freien Parameter lambda und theta einführen. V_2theta bezeichnet hier den Preis einer Bermudan-Option, welche an dem Zwischenzeitpunkt t_times_theta und bei Laufzeitende t ausgeübt werden kann. Ausgehend von V_2theta gibt der Parameter lambda nun an, wie weit wir in Richtung V_2theta_minus_V1 gehen wollen. Da die Folge V_n gegen den Preis des Flexible-Forwards konvergiert, ist es naheliegend, dass man so eine bessere Approximation erhält.

Da der Payoff des Flexible-Forwards linear ist, lässt sich eine geschlossene Formel für V_2theta finden. So ergibt sich GJ.

Um die Geske-Johnson-Formel in der Praxis verwenden zu können, müssen zuvor die Parameter lambda und theta bestimmt werden. Hierzu haben wir alle möglichen Kombinationen der folgenden Markt- und Produktparameter betrachtet:

  • Domestic-Rate: 0.1%, 2%, 4%
  • Foreign-Rate: 0.1%, 2%, 4%
  • Volatilität: 10%, 15%, 20%
  • Laufzeit: 1M, 3M, 6M, 12M
  • Spot-Level: 0.95, 0.96, …, 1.04, 1.05
  • Strike-Rate K=Forward-Rate bei Spot=1.00

Im nächsten Schritt haben wir dann mittels einer iterativen numerischen Optimierungsmethode diejenigen Parameter lambda_star und theta_star ermittelt, welche die geringste Abweichung zum theoretischen Preis des Flexible-Forwards im quadratischen Mittel aufweisen (Least-Squares). Ausgehend von den initialen Parametern lambda_0, theta_0 konvergiert der Algorithmus zu lambda_star und theta_star.

Im Folgenden werden wir diese Werte für unsere Analyse der Geske-Johnson-Formel verwenden.

Analyse

Fehlerreduktion

Mit den so bestimmten Parametern zeigt sich, dass der Fehler in den betrachteten Szenarien beträchtlich reduziert werden kann. Abbildung 4 zeigt wie in Abbildung 2 die Preisdifferenz zwischen dem Flexible-Forward-Preis und der Daumenregel sowie der Geske-Johnson-Formel. Der maximale Fehler konnte von mehr als 16 Basispunkten auf etwa 2 Basispunkte reduziert werden. Ein sehr ähnliches Bild zeigt sich in Abbildung 5, in welcher die Differenz zwischen Flexible-Forward-Preis und der Geske-Johnson-Formel in Abhängigkeit der Zinsdifferenz wie in Abbildung 3 dargestellt wird. Man beachte, dass die Abhängigkeit von der Zinsdifferenz nahezu eliminiert werden konnte.

Abbildung 4 : Preisdifferenz FDM vs. Daumenregel (Proxy) vs. Geske-Johnson-Formel (GJ); Strike-Rate = 1.00, Domestic-Rate = 4%, Foreign-Rate = 4%, Volatilität = 20%, Laufzeit = 1 Jahr.

Abbildung 5: Preisdifferenz FDM – Proxy und FDM - GJ; Spot=1.00, Domestic-Rate = 4%, Volatilität = 20%, Laufzeit = 1 Jahr, Strike-Rate K = Forward-Rate.

Die Effektivität der Geske-Johnson-Formel zeigt sich darüber hinaus, wenn man die Fehlerreduktion für unsere Markt- und Produktparameterszenarios betrachtet. In den Szenarien, in welchen die Daumenregel um mehr als einen Basispunkt vom theoretischen Preis abweicht, reduziert die Verwendung der Geske-Johnson-Formel den Fehler im Mittel um 97.2%!

Greeks

Neben der Fehlerreduktion betrachten wir auch, wie gut die Preissensitivitäten/Greeks des Flexible-Fowards durch die Geske-Johnson-Formel im Vergleich zur Daumenregel getroffen werden. In Abbildungen 6 plotten wir hierzu die Greeks Delta, Gamma, Vega, Theta, Rho (Domestic-Rate), Rho (Foreign-Rate) für den Flexible-Forward (FDM), die Daumenregel (Proxy) und die Geske-Johnson-Formel (GJ). Wie in den Plots zuvor betrachten wir das Szenario: Strike-Rate = 1.00, Domestic-Rate = 4%, Foreign-Rate = 4%, Volatilität = 20%, Laufzeit = 1 Jahr.

Abbildung 6: Greeks; Strike-Rate = 1.00, Domestic-Rate = 4%, Foreign-Rate = 4%, Volatilität = 20%, Laufzeit = 1 Jahr.

Für jede der drei Preisfunktionen beobachten wir, dass das Verhalten der Greeks stark davon abhängt, ob man sich gerade in der Exercise-Region oder der Continuation-Region befindet. Wir bezeichnen hierbei als Exercise-Region diejenigen Spot-Level, für welche die Preisfunktion dem Wert des Instant-Payoff S-K entspricht, und ihr Komplement als Continuation-Region. Wir stellen den Übergangspunkt zwischen beiden (sog. Exercise-Boundary) als gepunktete vertikale Linie dar.

Dass die Greeks in der Exercise-Region trivial sind, liegt darin begründet, dass die Preisfunktion dort gleich dem linearen Instant-Payoff S-K ist.  Darüber hinaus weist die Daumenregel aber auch in der Continuation-Region triviale Greeks auf, da sie dort dem ebenfalls linearen Wert des Standard-FX-Forwards entspricht. Das führt jedoch dazu, dass die Daumenregel lediglich die Asymptotik der Greeks des Flexible-Forwards gut trifft.

Ein anderes Bild zeigt sich hier für die Geske-Johnson-Formel. Diese approximiert alle Greeks erster Ordnung (d.h. alle ausser Gamma) sehr gut in ihrer Continuation-Region. Die einzigen grösseren Abweichungen entstehen in der Nähe des Exercise-Boundaries. Im Vergleich zur Daumenregel wird der Unterschied besonders deutlich bei Gamma und Vega. Diese verschwinden nämlich für die Daumenregel, wohingegen die Geske-Johnson-Formel eine wesentlich bessere Näherung liefert.

Fazit

Die Daumenregel, welche zur Bewertung von Flexible-Forwards üblicherweise verwendet wird, liefert gute Ergebnisse, falls die Zinsdifferenz zwischen Domestic-Rate und Foreign-Rate nicht allzu klein ist. Andernfalls kann der Näherungsfehler dieser Formel im zweistelligen Basispunktebereich liegen und kann somit nicht mehr ignoriert werden.

Die Geske-Johnson-Formel schafft hier Abhilfe, da sie auch in diesem Zinsregime verlässliche Ergebnisse liefert. Darüber hinaus erhält man durch die Geske-Johnson-Formel auch zufriedenstellende Näherungen für die Greeks, welche durch die Daumenregel nur für sehr grosse oder sehr kleine Spot-Level gut getroffen werden.

Da die Geske-Johnson-Formel mit nahezu keinem zusätzlichen Aufwand im Vergleich zur Daumenregel berechnet werden kann, empfehlen wir die Verwendung der Geske-Johnson-Formel als Alternative in Erwägung zu ziehen.

[1] Geske, R., & Johnson, H. E. (1984). The American put option valued analytically. The Journal of Finance, 39(5), 1511-1524.

[2] Die Formel gilt in dieser Form nur für positive Zinssätze und muss für negative Zinssätze angepasst werden.

Autor

Yannick Krifka
Pricing & Valuation Engineer

Severin Meng
Pricing & Valuation Engineer